Etwas träumen, etwas grau werden, aber jung bleiben.
Vor einiger Zeit erschienen die ersten beiden Singleauskopplungen ,,Raining" und ,,Vacation Town" auf Plattformen wie YouTube und Instagram und ließen verlauten, dass "The Front Bottoms" eine neue Platte rausbringen. Endlich. Die Stimme von Sänger Brian Sella ist nach wie vor unverkennbar, doch die Instrumentalität scheint sich gewandelt zu haben. So der erste Eindruck nach den ersten beiden Songs. Gespannt waren wohl einige Fans, wie schnell sich das neue Album mit klassischen Lyrik-Phrasen in den Köpfen einbrennt, wie bei den Alben zuvor. "Going Grey" heißt die Platte der Jungs aus New Jersey. Nun, wenn man schon das sechste Studioalbum als Endzwanziger auf den Markt bringt, ist "Going Grey" wahrscheinlich genau der richtige Name. Doch alt aussehen tut die Musik keinesfalls. Ein Resümee.
Erst einmal vorweg, es fällt genau so schwer wie zuvor auch, das Genre des amerikanischen Duos um Brian Sella und Mat Uychich zu definieren. Von Alternative bis Indie und Art Punk ist eine ganze Facette vorhanden und auch über die Jahre sehr ausgereizt worden. Doch die nahezu nostalgische Verwendung und Mischung aus Akustikgitarre, Akkordeon und Melodica, oder Trompete, wie sie auf den letzten drei Alben zu hören war, ist nicht mehr komplett vorhanden. Was bleibt ist die Akustikgitarre von Brian Sella, klassisch, gepaart mit einer recht gewöhnlichen Bandstruktur aus Schlagzeug, Gitarre und Bass. Etwas Synthesizer. Und was entstanden ist, ist ein Album, was sich entwickelt hat. "You used to say (holy fuck)" heißt der erste Song auf der Platte und beginnt verträumt, verspielt und leise. Man hört das Meer und Möwen. Dann ein Beat und eine Melodie. Die Platte nimmt einen von Anfang an mit auf einen Weg. Eine regelrechte Odysee der Gefühle. Nur weniger irreführend. Sobald die Stimme von Brian Sella einsetzt, verlieren sich die Gedanken schnell in einer Welt des Dreampop, aber großartig aufgezogen. Immer noch genug Gitarre und genug Chorus. Im ersten Moment erinnert es ein bisschen an Angels & Airwaves oder Turnover. Doch auch stark und laut gesetzte Sequenzen fehlen auf keinen Fall im Laufe des Albums, wie in den Songs "Far Drive" oder "Everyone but You". (Übrigens meine persönlichen Lieblinge). Der Song ,,Peace Sign" erinnert am ehesten an vergangene TFB-Sachen, der Rest scheint vom Songaufbau erwachsener geworden zu sein. Als Kompliment gemeint. Die packenden Melodien von Brian Sellas Lyrik erfassen einen allerdings genauso wie zum Beispiel bei Klassikern wie "Backflip" oder "Skeleton" vom Album "Talon of the Hawk". Die Texte von Sella handeln in altbekannter Manier von Jugend, von Mädels und eben nun vom Älterwerden. Dies aber eher ironisch aufgesetzt und trotzdem originell. Seine Gedanken sind so wunderbar realitätsnah wie immer in seinen Schriften. Letztendlich scheinen alle Songs des Albums in einer Weise gereift und die Band hat sich auf etwas Großes gestürzt. Für Fans von "The Front Bottoms" auf jeden Fall keine Enttäuschung, aber eine Gewöhnung. Eine Gewöhnung an ein paar neue Sounds, die die Band eben nicht alt aussehen lassen, aber älter machen. Sie werden ja immerhin schon grau.
von Alan Sander